Der atomare Traum - Explosive Pläne der Schweizer Industrie


In den 60er-Jahren träumt die Schweizer Maschinenindustrie vom eigenen Atomkraftwerk. Doch am 21. Januar 1969 explodieren in der Waadtländer Versuchsanlage Lucens Teile des ersten Reaktors. Bis heute bleibt diese weitgehend vergessene Katastrophe einer der schwersten Atomunfälle der Welt. Im Film erinnern sich die Atompioniere der Schweiz an die anfängliche Euphorie, an die Probleme beim Reaktorbau und an die Nacht der Zerstörung.

Der Autor Alexander Mazzara zu seinem Film:
Was würden Sie von einem Atomkraftwerkdirektor erwarten, der eben per Telefon erfahren hat, dass Teile seines Reaktors explodiert sind und die Anlage verstrahlt ist? Ich jedenfalls habe nicht damit gerechnet, dass er den nächsten Zug nach Lucens nimmt und im Zug seelenruhig einschläft. "Es gab keinen Grund,“ sagt er heute, "aufgeregt zu sein. Wir hatten alles unter Kontrolle.“

Die Atompioniere der Schweiz überraschten mich in den Gesprächen immer wieder. Aber so unterschiedlich sie und ihre Lebensgeschichten sind: Sie haben alle etwas gemeinsam. Auch heute noch glauben sie bedingungslos an die Atomtechnik. Der Eine lobbiert politisch noch heute, der Andere würde auch Atommüll in seinem Keller lagern, als Heizungsersatz, versteht sich. Bei jedem Gespräch kam deshalb die Frage unweigerlich, ob ich denn dafür bin oder dagegen. Einen Mittelweg gibt es nicht. Kaiseraugst, Tschernobyl und die Endlagerdiskussionen haben die Gesellschaft in der Schweiz gespalten. Von Lucens aber spricht heute niemand mehr. Nur: Ich wollte keinen politischen Film machen. Mich interessierten die unglaublichen Anstrengungen der Schweizer Industrie, einen eigenen Atomreaktor zu bauen. Wie entstand diese Atomeuphorie, dieser atomare Traum in der Schweiz? Und die Idee, dass der eigene Reaktor "Made in Switzerland“ besser sein soll als die bereits funktionierenden amerikanischen Reaktoren?

Lucens, das größte Entwicklungsprojekt der Schweizer Industrie, scheiterte schlussendlich an einem typisch schweizerischen Phänomen. In den stundenlangen Gesprächen vor der Kamera haben mir alle Protagonisten erzählt, dass die Schweiz wegen ihres Alleingangs keinen Erfolg in der Reaktorenentwicklung hatte.

Typisch dokumentiert ist der Traum vom eigenen Reaktor in den Archiven vom SF. Der Aufbau ist für die damalige Zeit beinahe akribisch in Beiträgen festgehalten. Vom Tag der Explosion, der Demontage, den Untersuchungen des Unglücks gibt es aber keinen einzigen Beitrag.

Produziert 2003 von:
Schweizer Fernsehen

Drehbuch/Regie: Alexander Mazzara
Kamera: Peter Hammann, Ueli Haberstich
Schnitt: Nina Brunst
Ton: René Alfred, Silvio Anania, Marcel Linder

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